Kunststoff ist mehr als die Plastiktüte

Kunststoff ist mehr als die Plastiktüte - https://www.aachener-zeitung.de/lokales/geilenkirchen/kunststoff-ist-mehr-als-die-plastiktuete_aid-48626845

 

ÜBACH-PALENBERG - Wirtschaftlicher Erfolg und umweltbewusstes Handeln – passt das zusammen? Ja,meint unter anderem das Bundesministerium für Bildung und Forschung und propagiert deshalb den Wandel hin zu einer „Green Economy“. Green Economy verbindet Ökologie und Ökonomie mit dem Ziel einer nachhaltigen Wirtschaft, die natürliche Ressourcen schont und dieUmwelt weniger belastet. So sollen etwa veränderte, nachhaltige Produktions- und Konsumweisen entwickelt werden, „um weltweit und insbesondere für kommende Generationen Wohlstand und eine hohe Lebensqualität zu sichern“, heißt es auf der Homepage des Ministeriums.

 

Plastik in aller Munde


Einen Beitrag zur umweltschonenden Produktion leistet auch das Übach-Palenberger Unternehmen Polythex – ausgerechnet ein Hersteller von Kunststoff. Ist das einWiderspruch? „Nein“, sagt Geschäftsführer Stefan Nickolai. „Plastik und seine negativen Auswirkungen auf die Umwelt sind derzeit in aller Munde. Das Produkt kommt überall schlecht weg. Aber Kunststoff ist mehr als nur die Plastiktüte. Kunststoff rettet Leben, denken Sie nur an Produkte im medizinischen Bereich, zu denen es keine Alternative gibt.“ .

Nunstellt die Firma Polythex nicht nur Kunststoff her, aus dem später Kanülen oder Spritzen entstehen. Polythex-Kunststoff findet sich in vielen Bereichen wieder, angefangen bei Straßenschildern über Werbe- und Präsentationsmöbel namhafter Produkte, den Sanitärbereich und bis hin zur Automobilindustrie.

Die Außenkarosserie des Streetscooters wird aus Kunststoff der Firma Polythex gefertigt, ebenso wie Teile des neuen e.GO. „Obwohl wir Kunststoff produzieren,versuchen wir unseren Beitrag für die Umwelt zu leisten. Zum einen produzieren wir auch bio-basierte Kunststoffe, zum anderen – und das ist der bedeutendere Part – setzen wir auf die Wiederverwertung der anfallenden Produktionsabfälle und Verschnittreste. Zudemholen wir über 25 Prozent der Kunststoffe, die wir an unsere Kunden ausliefern, wieder zurück.  Diese Reste aus der Weiterverarbeitung gehen bei uns wieder in den Produktionskreislauf. Welche andere Industrie kann behaupten, dass sie eine so hohe Prozentzahl ihrer Produkte wieder zurückführt?“ 

Polythex stellt Kunststoff in Form von Platten und Folien her. Dazu wird feines Kunststoffgranulat angeliefert, das in Übach-Palenberg eingeschmolzen und mit weiteren Zusatzstoffen versehen zu Platten in verschiedenen Größen, Dicken und Farben weiterverarbeitet wird. Anfallende Reste werden vor Ort direkt klein gemahlen und wieder verarbeitet. „Es fällt also gar kein Abfall an“, erklärt Stefan Nickolai. „Und die bei der Produktion entstehende Hitze nutzen wir, um unsere Büroräume zu heizen.“ Neben den eigenen Abfällen kauft Polythex auch die Produktionsreste zurück, die bei den Kunden anfallen. Im Innenhof des Betriebs türmen sich hohe Paletten mit Verschnittresten oder bereits klein gemahlenem Kunststoff. „Diese Reste werden bei uns auf zwei verschiedene Arten wiederverwendet. Entweder, sie werden für die Produktion von Platten genutzt, aus denen später Dinge entstehen, wo die Optik nicht so wichtig ist, zum Beispiel schwarze unststoffblumenkübel oder ähnliches, oder wir machen daraus Platten, die im Inneren aus recyceltem Kunststoff bestehen und eine Oberfläche aus neuwertigem Material haben.

 Produkte aus recyceltem Kunststoff seien in den vergangenen Jahren bei den Kunden immer beliebter geworden, sagt Nickolai. Das liege daran, dass sich jeder gegenüber dem anderen profilieren möchte. „Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist, wie grün sich ein Unternehmen präsentiert.“  Der Kunde nehme heute wahr, welches Produkt umweltschonender hergestellt werde. aufentscheidungen würden heute nicht zuletzt danach getroffen, welches Produkt seine Ressourcen nachhaltiger einsetze, manchmal sogar unabhängig vom Preis. „Der Markt hat sich in diesem Punkt stark verändert.

Wurden Produkte aus Recyclingmaterial vor 20 Jahren noch als minderwertiger angesehen und entsprechend billiger verkauft, sind die Kunden heute sogar bereit, mehr dafür zu bezahlen.“ Es lasse sich also auch durchaus gutes Geld mit den Produkten verdienen, räumt Nickolai ein, der seine Kunststoffplatten entsprechend vermarktet: „Im Moment haben wir einen Anteil von rund 36 Prozent Kunststoff aus Recyclingmaterial, Tendenz steigend.“ Der Markt werde immer empfänglicher, und an Kunststoff kommt man heute einfach nicht mehr vorbei.

 Darum ist die Frage: Wie gehe ich am nachhaltigsten damit um?“ Neben den konventionellen, erdölbasierten Produkten produziert Polythex auch Kunststoff aus biologischen Rohstoffen. Es werden Mais- oder kartoffelstärke verwendetund sogenanntes Elefantengras eingesetzt. „Aber die Produktionskosten sind höher, und die Ressourcen sind begrenzt“, sagt Nickolai. Um das Bioplastik auf seinen Maschinen produzieren zu können habe er in den vergangenen fünf Jahren rund 500.000 Euro investiert. Der Anteil an bio-basiertem Kunststoff liege in seinem Unternehmen aber nur bei rund zehn Prozent.

„In diesem Bereich herrscht eine wahre Hysterie, die sich meiner Meinung nach wieder beruhigen wird. Es finden sich nur wenige Kunden, die den extrem höheren Preis in Kauf nehmen.“ ußerdem bedeute ‚bio-basiert’ nicht, dass die Produkte nach drei Wochen auf der grünen Wiese komplett verschwunden seien. Insgesamt sei der Markt stark verunsichert. „Jeder versucht, den entscheidenden Schritt als erster zu tun.“ 

Stefan Nickolai ist der Meinung, dass die Zukunft der Kunststoffproduktion deshalb weniger bei den Bioprodukten als mehr im Recycling liegt. „Ein geschlossenes System bringt der Umwelt mehr. Verzichten können wir auf Kunststoff nicht. Aber wir müssen uns unserer Verantwortung bewusst sein und die Ressourcen schonen.